Praxistipp: Wale beobachten & fotografieren

 

Teil IV:  Sozialverhalten dokumentieren

 

 

 

Teil I:       Fotoausrüstung und Einstellung

Teil II:      Suchen und rücksichtsvoll annähern

Teil III:     Sich auf Situationen einlassen

Teil IV:     Sozialverhalten dokumentieren

 

 

Atlantischer Fleckendelfin, Zügeldelfin  (Stenella frontalis)

Atlantischer Fleckendelfin, Zügeldelfin  (Stenella frontalis)

Atlantischer Fleckendelfin, Zügeldelfin  (Stenella frontalis)

 

Als engagierter Tierfotograf lernen Sie auf Details zu achten, die vielen Ihrer Mitmenschen entgehen. Damit stehen Sie bereits mit einem Fuße auf dem Terrain der Naturwissenschaften! Die wissenschaftliche Fotografie verzichtet allerdings auf Ästhetik, zugunsten einer exakten Beschreibung. Beispielsweise werden bei der Foto-ID nur Rückenflossen und andere Details aufgenommen, anhand derer Individuen eindeutig wieder zu erkennen sind. Dank dieser Methode hat man inzwischen von einigen Arten eine recht genaue Vorstellung der sozialen Organisation.

 

 

 

Soziale Interaktion:

 

Als Herdentiere, die in engen Verbänden leben, verfügen Wale über ein umfangreiches Repertoire interaktiver Verhaltenskomponenten. Nähert sich ihnen ein Whale watching-Boot, reagieren sie dem Menschen gegenüber ähnlich wie mit eigenen Artgenossen:

 

Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)

Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)

Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)

Grosser Tümmler  (Tursiops truncatus)

 

Beobachten: Die Wale heben senkrecht den Kopf aus dem Wasser (Spyhop) oder legen sich mit

einem Auge nach oben gerichtet auf die Seite, um zu sehen, was über Wasser passiert.

(Bilder oben: Indische Grindwale bzw. Pilotwale Globicephala macrorhynchus, rechts: großer Tümmler Tursiops truncatus)

 

Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)

Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)

Rauzahn-Delfin  (Steno bredanensis)

 

Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)
Vor dem Bug des Seglers macht ein Indischer Grindwal Kopfstand und winkt mit der Fluke hin und her.

Auf sich Aufmerksam machen: Die Wale winken mit Fluke oder Flipper, klatschen mit den Flossen auf´s Wasser oder durchwühlen die Oberfläche.  Mit Sprüngen (bzw. breaching) erregen sie noch über große Distanz Aufmerksamkeit.

(Bilder oben: Indische Grindwale, o. rechts: Rauzahndelfin Steno bredanensis)

 

Unterwasserfotografie:  Rauzahn-Delfin  (Steno bredanensis)

Unterwasserfotografie:  Rauzahn-Delfin  (Steno bredanensis)

Unterwasserfotografie:  Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)

Rauzahn-Delfin  (Steno bredanensis)

Kontaktaufnahme und -bereitschaft:  Körperkontakte sind unter Walen häufig, finden v. a. aber unter Wasser statt. Dies geschieht spielerisch, im sozialen Kontext, als mütterliche Fürsorge gegenüber dem Kalb oder als Paarungsvorbereitung. Durch Zuwendung ihrer Bauchseite zeigen die Tiere Kontaktbereitschaft an, eventuell sogar gegenüber einem Boot.

(Bilder oben: Unterwasseraufnahmen von Rauzahndelfinen und Indischen Grindwalen (Pilotwal) - 3. v. links:)

Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)

Splash!

Splash!

Ärger & Drohgebärden: Durch Klatschen mit der Fluke können die Tiere anzeigen, wenn sie sich gestört fühlen oder verärgert sind. Eine sehr abrupte Annäherung (auch an Whalewatching-Boote oder Schwimmer) kann der Einschüchterung dienen. Besonders ausgeprägt beim Leittier der Indischen Grindwale: Lautes Schnauben und beim Auftauchen weit mit dem Kopf vorpreschen oder mit dem ganzen Körper herauskommen und sich lautstark aufs Wasser klatschen lassen (breaching). 

(Bilder oben: Ein verärgerter indischer Grindwal schmettert seinen Körper lautstark aufs Wasser, links: Flukenschlag)

 
Angst gegenüber dem Boot:  Die Herde rottet sich eng zusammen (v. a. gemeine Delfine), willkürliche und spontane Änderung der Zugrichtung, abtauchen und verbrauchte Atemluft bereits unter der Wasseroberfläche ausstoßen. Bei solchen Anzeichen muss eine Sichtung sofort abgebrochen werden!
 
   Wie sie gerade gelesen haben, sind einige Komponenten, wie das Klatschen mit der Fluke oder das breaching mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt. Sie verstehen das richtig: Einzelne Verhaltensäußerung sind nur im Gesamtkontext der Situation zu deuten - wenn überhaupt!
 
Atlantischer Fleckendelfin, Zügeldelfin  (Stenella frontalis) Atlantischer Fleckendelfin, Zügeldelfin  (Stenella frontalis) Atlantischer Fleckendelfin, Zügeldelfin  (Stenella frontalis)
 

Spiel:   Die Verhaltensweisen der Wale sind vergleichsweise wenig ritualisiert und werden immer wieder spielerisch in neuen Variationen ausprobiert. Nicht mit jeder Geste wollen uns die Tiere etwas sagen - sie genießen es auch einmal, ihrem Spieltrieb freien Lauf zu lassen.

Oben Links: Surfen. Die Atlantische Fleckendelfine kehren immer wieder an den Ausgangspunkt günstiger Wellenberge zurück

Oben Rechts: Spiel mit Luftblasen. Der "Luftkranz" wurde durch das Zusammenwirken mehrerer Atlant. Fleckendelfine erzeugt

Rechts: Ein Rauzahndelfin zeigt seinen Schnabel; ein Atlant. Fleckendelfin ärgert die Gelbschnabel-Sturmtaucher (Calonectris diomedea)

  Rauzahn-Delfin  (Steno bredanensis) Gelbschnabel-Sturmtaucher (Calonectris diomedea)
 

 
Soziale Organisation:
 

Ausgewachsene Bartenwale (z. B. Bryde-Wale) und alte Pottwalbullen sind hin und wieder auch einzeln oder nur paarweise anzutreffen. Bei den übrigen Zahnwalarten ist der Zusammenhalt der Verbände wesentlich stärker - fast immer handelt es sich bei einer Sichtung um größere Gruppen.

 

   In der Regel werden bei Zahnwalen die Bullen größer und schwerer als die Weibchen - bei Bartenwalen ist es umgekehrt. Da die meisten Arten aber keine weiteren sekundäre Geschlechtsmerkmale besitzen, ist eine Kenntnis der sozialen Verbände und des Verhaltens hilfreich, um das Geschlecht indirekt zu bestimmten. Je nach Art unterscheidet man beispielsweise folgende Organisationsformen:

 

 

Jugendgangs & Familienverbände:  Bei Atlantischen Fleckendelfinen existieren v. a. diese beiden Typen: Der Familienverband ist aus beiden Geschlechtern und sämtlichen Altersgruppen zusammengesetzt. Pubertierende Jungtiere jedoch schließen sich zu eigenen Schulen zusammen. Anhand ihrer noch fehlenden oder kaum ausgeprägten Fleckenzeichnung sind sie einfach von älteren Tieren zu unterscheiden.

 

Kindergärten & Männerverbände:  Unter erwachsenen Großtümmlern herrscht eine relativ strikte Geschlechtertrennung. Männliche Jungtiere werden beim Einsetzen der Pubertät aus den Kindergärten verstoßen. Sie bilden zunächst Jugendverbände, denen sich vereinzelt auch junge Weibchen anschließen, um das Sozialverhalten zu erlernen. Geschlechtsreife Bullen allerdings bleiben unter sich. Im Gegensatz zu den relativ ortstreuen "Kindergärten" ziehen sie umher, um hier und dort, wo sie auf einen solchen Kindergarten treffen, die Weibchen zu begatten. Da die Männerverbände ausschließlich aus Gleichaltrigen bestehen, wird die Zahl ihrer Mitglieder mit zunehmendem Alter kleiner (bis drei Tiere).

 

 

 

Haremsverband:  Dieser Typ ist bei Schnabelwalen ausgeprägt, jedoch bis heute unzureichend erforscht. Offenbar liefern sich männliche Schnabelwale mithilfe ihrer Stoßzähne untereinander heftigen Kämpfen, um ihren weiblichen Harem zu vergrößern oder zu behalten. Infolgedessen sind ältere Bullen an Kopf und Rücken von zahlreichen weißen Narben überzogen. Innerhalb eines geschlossenen Verbands von 5 - 10 Tieren fallen sie dem Beobachter sofort ins Auge. Die Stoßzähne allerdings sind als sekundäres Geschlechtsmerkmal unter Freilandbedingungen schwer zu erkennen, da der Wal zum Atmen seinen Kopf nur sehr kurz aus dem Wasser hebt.

 

 

 

Atlantischer Fleckendelfin, Zügeldelfin  (Stenella frontalis)
Ist eine Jugendgang Fleckendelfine (Stenella frontalis) unterwegs, sind sie anhand der fehlenden Fleckenzeichnung leicht zu erkennen.
Blainville-Schnabelwal  (Mesoplodon densirostris)
Den Kopf dieses Blainville-Schnabelwal-bullen (Mesoplodon densirostris) zieren zahlreiche Kampfspuren

 

Familienclan:  Nur bei Grindwalen und den nahe verwandten Schwertwalen (Orcinus orca) bleiben die Angehörigen einer Schule ein Leben lang zusammen. Die Verbände enthalten grundsätzlich beide Geschlechter in sämtlichen Altersgruppen. Zur Paarung treffen verschiedene Verbände aufeinander - tatsächlich scheint gewährleistet, dass kein männliches Tier Nachkommen in seiner eigenen Schule zeugt. Die Schulen der Grindwale werden grundsätzlich von einem männlichen Leittier angeführt, daher rührt der zweite Trivialname Pilotwal für die gesamte Art. Diese Leitbullen sind im Freiland v. a. aufgrund ihrer Größe, ihrer breiten, ausladenden Finne und ihres Verhaltens von anderen zu unterscheiden.  
Indischer Grindwal, Pilotwal (Globicephala macrorhynchus)
  Die breite ausladende Finne deutet auf einen männlichen "Pilotwal" hin

 

 

 
Beobachtung & Erforschung des Sozialverhaltens:

   Der Erfolg einer Sichtung hängt ganz wesentlich davon ab, ob die Tiere gesichtet werden wollen und von sich aus Kontakt zu dem Boot aufnehmen. Dies ist nicht nur von der jeweiligen Art und ihrer momentanen Situation abhängig (man unterscheidet 4 Kategorien im Verhaltensstatus: ruhen, ziehen jagen, socializing) - eine ganz entscheidende Rolle spielt die Größe und Zusammensetzung des Verbands.

 
  • Generell verhalten sich Zahnwale in kleinen Gruppen recht scheu. Zu Interaktionen mit Beobachtungsbooten kommt erst, wenn sie sich in großen Verbänden sicher fühlen.

  • Bei Kindergärten oder Familienverbänden dürfen Sie - sofern die Tiere zu einer Kontaktaufnahme bereit sind - mit einem regen sozialen Austausch rechnen. Das sogenannte socializing bahnt sich oft im Anschluss an Ruhephasen an. Das Walbeobachtungs- Boot sollte sich hierbei sehr vorsichtig annähern und dann in einem respektvollem Abstand warten, damit die Wale Interesse gewinnen und von sich aus heranschwimmen.

  • Bei Indischen Grindwalen übernimmt der Leitbulle während einer Sichtung gerne die Hauptrolle und ist in manchen Fällen wesentlicher Entscheidungsträger über deren Verlauf: Kommt es zu Unstimmigkeiten mit den Tieren, beispielsweise weil sich ein Boot rücksichtslos an Kälber annähert, müssen Sie mit heftigen Reaktionen von seiner Seite rechnen. Vor La Gomera / Teneriffa haben einige Leitbullen Strategien entwickelt, um aufdringliche Walbeobachter bewusst von der Herde wegzuführen.

  • Jugendgangs der Fleckendelfine wollen fast immer ausgelassen in der Bugwelle reiten. Für dieses Vergnügen nehmen sie sogar größere Umwege in Kauf. Während sie vom Menschen gerne gesehen werden, ist ihre Gesellschaft für andere Wale (v. a. Großtümmler, Indische Grindwale) ausgesprochen lästig.

  • Männliche Verbände der Großtümmler reagieren aufgrund ihrer kleinen Gruppengröße tendenziell zurückhaltender auf herannahende Boote. Auf ihrer Jagd zeigen sie mitunter jedoch spektakuläre Luftsprünge.

  • Vor La Gomera besteht ganzjährig eine feste Population Schnabelwale. Die Existenz dieser eigenartigen Wale ist der Allgemeinheit bis heute völlig unbekannt. Die Tiere sind sehr ausdauernde Taucher und relativ scheu - daher sind sie nur selten von Booten aus zu beobachten.

 

  Beobachtung indischer Grindwale
  Indische Grindwale nähern sich dem Bug der „Bello Horizonte“, Walbeobachtung vor La Gomera
Sichtungsdaten Cetaceae, Walbeobachtung (Whalewatching) vor La Gomera
  Grafik oben:  Mittlere Herden-größe der Atlantischen Flecken-delfine jeweils bei "Interaktion", "Nähe" und "Vermeidung" gegenüber dem Whale Watching-Boot.
 
Verhalten Atlantischer Fleckendelfin: Interaktiv

Atlant. Fleckendelfin (Zügeldelfin)

Verhalten Brydewal: Neutral
  Brydewal
Verhalten Blainville-Schnabelwal: Vermeidung
Blainville-Schnabelwal
 

Einzelgrafiken:  Durchschnittliche Verhaltensweisen gegenüber Booten: "Interaktion" (grün), "Nähe" (gelb), "Neutral" (grau), "Vermeidung" (rot)

(Der zugrundeliegende Datensatz ist Teil einer Langzeitstudie des Vereins Meer e. V. - 505 meist 4-stündige Walbeobachtungsausfahrten des Club de Mar vor La Gomera)

 

  


www.ocean-la-gomera.com- Meeresbiologische Exkursionen in Valle Gran Rey, La Gomera (Kanarische Inseln)

Sanfte Walbeobachtung (soft Whalewatching) -  Felswatt-Exkursion -  Schnorcheln -  Unterwasserfotografie

Sichtungsdaten und Verhalten der Cetaceae (Wale & Delfine), Monitoring (marine Wirbellose, Fische), Foto-Dokumentation