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Praxistipp: Wale
beobachten & fotografieren |
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Teil IV:
Sozialverhalten dokumentieren |
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Als engagierter
Tierfotograf lernen Sie
auf Details zu achten, die vielen Ihrer Mitmenschen entgehen. Damit stehen
Sie bereits mit einem Fuße auf dem Terrain der Naturwissenschaften! Die
wissenschaftliche Fotografie verzichtet allerdings auf Ästhetik, zugunsten
einer exakten Beschreibung. Beispielsweise werden bei der Foto-ID nur
Rückenflossen und andere Details aufgenommen, anhand derer Individuen
eindeutig wieder zu erkennen sind. Dank dieser Methode hat man inzwischen
von einigen Arten eine
recht genaue Vorstellung der sozialen Organisation. |
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Soziale Interaktion: |
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Als Herdentiere, die in engen Verbänden leben,
verfügen Wale über ein umfangreiches Repertoire interaktiver
Verhaltenskomponenten. Nähert sich ihnen ein Whale watching-Boot, reagieren sie dem
Menschen gegenüber ähnlich wie mit eigenen Artgenossen:
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Beobachten: Die Wale heben
senkrecht den Kopf aus dem Wasser (Spyhop) oder legen sich mit
einem Auge nach oben gerichtet auf die Seite, um
zu sehen, was über Wasser passiert.
(Bilder oben: Indische Grindwale
bzw. Pilotwale Globicephala macrorhynchus, rechts:
großer Tümmler Tursiops truncatus)
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Vor dem Bug des Seglers
macht ein Indischer Grindwal Kopfstand und winkt mit der Fluke hin
und her. |
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Auf sich Aufmerksam machen: Die Wale winken mit Fluke oder Flipper,
klatschen mit den Flossen auf´s Wasser oder durchwühlen die Oberfläche.
Mit Sprüngen (bzw. breaching) erregen sie noch über große Distanz
Aufmerksamkeit.
(Bilder oben: Indische Grindwale, o. rechts:
Rauzahndelfin Steno bredanensis) |
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Kontaktaufnahme und -bereitschaft:
Körperkontakte sind unter Walen häufig, finden v. a. aber unter Wasser
statt. Dies geschieht spielerisch, im sozialen Kontext, als mütterliche
Fürsorge gegenüber dem Kalb oder als Paarungsvorbereitung. Durch Zuwendung
ihrer Bauchseite zeigen die Tiere Kontaktbereitschaft an, eventuell sogar
gegenüber einem Boot.
(Bilder oben:
Unterwasseraufnahmen von Rauzahndelfinen und
Indischen Grindwalen (Pilotwal) - 3. v. links:) |
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Ärger & Drohgebärden:
Durch Klatschen mit der Fluke können die Tiere anzeigen, wenn sie sich
gestört fühlen oder verärgert sind. Eine sehr abrupte Annäherung (auch an
Whalewatching-Boote oder Schwimmer) kann der Einschüchterung dienen. Besonders ausgeprägt
beim Leittier der Indischen Grindwale: Lautes Schnauben und beim Auftauchen
weit mit dem Kopf vorpreschen oder mit dem ganzen Körper herauskommen
und sich lautstark aufs Wasser klatschen lassen (breaching).
(Bilder oben: Ein verärgerter indischer Grindwal
schmettert seinen Körper lautstark aufs Wasser, links: Flukenschlag) |
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Angst gegenüber dem Boot:
Die Herde rottet sich eng
zusammen (v. a. gemeine Delfine), willkürliche und spontane Änderung der Zugrichtung, abtauchen
und verbrauchte
Atemluft bereits unter der Wasseroberfläche ausstoßen. Bei solchen
Anzeichen muss eine Sichtung sofort abgebrochen werden! |
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Wie sie gerade
gelesen haben, sind einige Komponenten, wie das Klatschen mit der Fluke oder
das breaching mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt. Sie
verstehen das richtig: Einzelne Verhaltensäußerung sind nur im Gesamtkontext
der Situation zu deuten - wenn überhaupt! |
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Spiel: Die Verhaltensweisen der Wale sind
vergleichsweise wenig ritualisiert und werden immer wieder spielerisch
in neuen Variationen ausprobiert. Nicht mit jeder Geste wollen uns die
Tiere etwas sagen - sie genießen es auch einmal, ihrem Spieltrieb freien
Lauf zu lassen.
Oben Links: Surfen. Die Atlantische Fleckendelfine
kehren immer wieder an den Ausgangspunkt günstiger Wellenberge zurück
Oben Rechts: Spiel mit Luftblasen. Der "Luftkranz" wurde durch das
Zusammenwirken mehrerer Atlant. Fleckendelfine erzeugt
Rechts: Ein Rauzahndelfin zeigt seinen Schnabel; ein Atlant.
Fleckendelfin ärgert die Gelbschnabel-Sturmtaucher (Calonectris
diomedea) |
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Soziale Organisation: |
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Ausgewachsene Bartenwale (z. B. Bryde-Wale) und alte
Pottwalbullen sind hin und wieder auch einzeln oder nur paarweise
anzutreffen. Bei den übrigen Zahnwalarten ist der Zusammenhalt der Verbände
wesentlich stärker - fast immer handelt es sich bei einer Sichtung um
größere Gruppen.
In der Regel werden bei
Zahnwalen die Bullen größer und schwerer als die Weibchen - bei Bartenwalen
ist es umgekehrt. Da die meisten Arten aber keine weiteren sekundäre
Geschlechtsmerkmale besitzen, ist eine Kenntnis der sozialen Verbände und
des Verhaltens hilfreich, um das Geschlecht indirekt zu bestimmten. Je nach
Art unterscheidet man beispielsweise folgende Organisationsformen:
Jugendgangs & Familienverbände: Bei
Atlantischen Fleckendelfinen existieren v. a. diese beiden Typen: Der
Familienverband ist aus beiden Geschlechtern und sämtlichen Altersgruppen
zusammengesetzt. Pubertierende Jungtiere jedoch schließen sich zu eigenen
Schulen zusammen. Anhand ihrer noch fehlenden oder kaum ausgeprägten
Fleckenzeichnung sind sie einfach von älteren Tieren zu unterscheiden.
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Kindergärten & Männerverbände: Unter
erwachsenen Großtümmlern herrscht eine relativ strikte Geschlechtertrennung.
Männliche Jungtiere werden beim Einsetzen der Pubertät aus den Kindergärten
verstoßen. Sie bilden zunächst Jugendverbände, denen sich vereinzelt auch
junge Weibchen anschließen, um das Sozialverhalten zu erlernen.
Geschlechtsreife Bullen allerdings bleiben unter sich. Im Gegensatz zu den
relativ ortstreuen "Kindergärten" ziehen sie umher, um hier und dort, wo sie
auf einen solchen Kindergarten treffen, die Weibchen zu begatten. Da die
Männerverbände ausschließlich aus Gleichaltrigen bestehen, wird die Zahl
ihrer Mitglieder mit zunehmendem Alter kleiner (bis drei Tiere).
Haremsverband: Dieser Typ ist bei
Schnabelwalen ausgeprägt, jedoch bis heute unzureichend erforscht. Offenbar
liefern sich männliche Schnabelwale mithilfe ihrer Stoßzähne untereinander
heftigen Kämpfen, um ihren weiblichen Harem zu vergrößern oder zu behalten.
Infolgedessen sind ältere Bullen an Kopf und Rücken von zahlreichen weißen
Narben überzogen. Innerhalb eines geschlossenen Verbands von 5 - 10 Tieren
fallen sie dem Beobachter sofort ins Auge. Die Stoßzähne allerdings sind als
sekundäres Geschlechtsmerkmal unter Freilandbedingungen schwer zu erkennen,
da der Wal zum Atmen seinen Kopf nur sehr kurz aus dem Wasser hebt.
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Ist eine Jugendgang
Fleckendelfine (Stenella frontalis) unterwegs, sind sie anhand der fehlenden
Fleckenzeichnung leicht zu erkennen. |
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Den Kopf dieses
Blainville-Schnabelwal-bullen (Mesoplodon densirostris) zieren zahlreiche Kampfspuren |
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Familienclan: Nur bei Grindwalen und den
nahe verwandten Schwertwalen (Orcinus orca) bleiben die Angehörigen einer Schule ein Leben
lang zusammen. Die Verbände enthalten grundsätzlich beide Geschlechter in
sämtlichen Altersgruppen. Zur Paarung treffen verschiedene Verbände
aufeinander - tatsächlich scheint gewährleistet, dass kein männliches Tier
Nachkommen in seiner eigenen Schule zeugt. Die Schulen der Grindwale werden
grundsätzlich von einem männlichen Leittier angeführt, daher rührt der
zweite Trivialname „Pilotwal”
für die gesamte Art. Diese Leitbullen sind im Freiland v. a. aufgrund ihrer
Größe, ihrer breiten, ausladenden Finne und ihres Verhaltens von anderen zu
unterscheiden. |
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Die breite ausladende
Finne deutet auf einen männlichen "Pilotwal" hin |
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Beobachtung & Erforschung
des Sozialverhaltens: |
Der
„Erfolg“
einer Sichtung hängt ganz wesentlich davon ab, ob die Tiere
„gesichtet“
werden wollen und von sich aus Kontakt zu dem Boot aufnehmen. Dies ist
nicht nur von der jeweiligen Art und ihrer momentanen Situation abhängig
(man unterscheidet 4 Kategorien im Verhaltensstatus: ruhen, ziehen
jagen, socializing) - eine
ganz entscheidende Rolle spielt die Größe und Zusammensetzung des Verbands.
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Generell verhalten sich Zahnwale in kleinen Gruppen recht
scheu. Zu Interaktionen mit Beobachtungsbooten kommt erst, wenn sie sich in
großen Verbänden sicher fühlen.
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Bei Kindergärten oder Familienverbänden dürfen Sie -
sofern die Tiere zu einer Kontaktaufnahme bereit sind - mit einem regen
sozialen Austausch rechnen. Das sogenannte socializing bahnt sich oft
im Anschluss an Ruhephasen an.
Das Walbeobachtungs- Boot sollte sich hierbei sehr vorsichtig annähern und dann in einem
respektvollem Abstand warten, damit die Wale Interesse gewinnen und von sich
aus heranschwimmen.
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Bei Indischen Grindwalen übernimmt der Leitbulle
während einer Sichtung gerne die Hauptrolle und ist in manchen Fällen
wesentlicher Entscheidungsträger über deren Verlauf: Kommt es zu
Unstimmigkeiten mit den Tieren, beispielsweise weil sich ein Boot
rücksichtslos an Kälber annähert, müssen Sie mit heftigen Reaktionen von
seiner Seite rechnen. Vor La Gomera / Teneriffa haben einige Leitbullen
Strategien entwickelt, um aufdringliche Walbeobachter bewusst von der Herde
wegzuführen.
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Jugendgangs der Fleckendelfine wollen fast immer
ausgelassen in der Bugwelle reiten. Für dieses Vergnügen nehmen sie sogar
größere Umwege in Kauf. Während sie vom Menschen gerne gesehen werden, ist
ihre Gesellschaft für andere Wale (v. a. Großtümmler, Indische Grindwale)
ausgesprochen lästig.
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Männliche Verbände der Großtümmler reagieren aufgrund
ihrer kleinen Gruppengröße tendenziell zurückhaltender auf herannahende
Boote. Auf ihrer Jagd zeigen sie mitunter jedoch spektakuläre Luftsprünge.
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Vor La Gomera besteht ganzjährig eine feste Population
Schnabelwale. Die Existenz dieser eigenartigen Wale ist der Allgemeinheit
bis heute völlig unbekannt. Die Tiere sind sehr ausdauernde Taucher und
relativ scheu - daher sind sie nur selten von Booten aus zu beobachten.
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Indische Grindwale nähern sich dem Bug der „Bello Horizonte“,
Walbeobachtung vor La Gomera |
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Grafik oben:
Mittlere Herden-größe der Atlantischen Flecken-delfine
jeweils bei "Interaktion", "Nähe" und "Vermeidung" gegenüber dem
Whale Watching-Boot. |
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Atlant. Fleckendelfin
(Zügeldelfin) |
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Blainville-Schnabelwal |
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Einzelgrafiken:
Durchschnittliche Verhaltensweisen gegenüber Booten:
"Interaktion" (grün), "Nähe" (gelb), "Neutral" (grau),
"Vermeidung" (rot)
(Der
zugrundeliegende Datensatz ist Teil einer Langzeitstudie des Vereins
Meer e. V. - 505 meist 4-stündige Walbeobachtungsausfahrten des Club
de Mar vor La Gomera) |
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www.ocean-la-gomera.com- Meeresbiologische Exkursionen in Valle Gran Rey, La Gomera (Kanarische Inseln)
Sanfte Walbeobachtung (soft Whalewatching) - Felswatt-Exkursion - Schnorcheln - Unterwasserfotografie
Sichtungsdaten und Verhalten der Cetaceae (Wale & Delfine), Monitoring (marine Wirbellose, Fische), Foto-Dokumentation